Kommt da noch was? Logopädisches Reiten im Allgäu – ein Erfolgsbericht


Wenn ein Kind mit 14 kaum spricht, fängt man an die Hoffnung aufzugeben. Die Frage „Kommt da noch was?“ beantwortet man sich irgendwann mit einem „Vermutlich nicht!“.

Seit 15 Jahren lebt Finja mit Down-Syndrom, Autismus und einer starken geistigen Beeinträchtigung. Sie war bis zum 11. Lebensjahr völlig nonverbal, entwickelte nur langsam ein Interesse am Sprechen und war sehr in sich selbst versunken.

Tiergestützte Therapie hat vieles verändert. Mit Hilfe der Downsyndrom-Stiftung, konnte Finja vor einigen Monaten eine Intensivtherapie im Therapeutischen Reiten im Allgäu machen. Morgens logopädisches Reiten, Nachmittags klassische Logopädie.

Schon in den ersten Minuten auf dem Pferd ging eine Veränderung in meiner Tochter vor: Mehr Körperspannung, mehr Aufmerksamkeit – einfach präsenter! Auf dem Pferd wirkt unsere Tochter nicht wie eine 3jährige, sondern wie die Jugendliche, die sie ja ist. Es scheint, als ginge ein „Fenster im Gehirn“ auf, als würden sich Synapsen verbinden, die sonst quer durcheinander funken.  

In dieser Woche konnte sie sich total auf ihre Therapeutin und die Logopädie am Nachmittag einlassen. Doch würde das dauerhafte Erfolge bringen? Oder wieder nur ein Strohfeuer sein?

In den Wochen nach der Therapie konnten wir erste Erfolge sehen. Doch so recht glauben konnten wir es nicht: „Hat sie jetzt wirklich ‚Papa‘ gesagt?“ Und kommentiert sie wirklich, dass die Familie zusammen ist, wenn sie fröhlich „Alleda!“ ruft? Lange habe ich mich gescheut, einen Therapiebericht zu schreiben. Ja – das Reiten macht ihr sichtlich Freude. Es scheint ihr gut zu tun. Sie ist sowohl ganz bei sich selbst, als auch ansprechbar für die Therapeutinnen. In diesen Therapiewochen ist es möglich eine Beziehung aufzubauen und Bindung herzustellen – was im Alltag aufgrund des Autismus manchmal schwer ist. Aber rechtfertigt das einen „Erfolgsbericht“? Ich blieb skeptisch.

Und doch waren die Erfolge von Dauer. Nach und nach verbesserte sich in den Wochen und Monaten nach der Therapie unsere Beziehung. Plötzlich möchte meine Tochter mit mir kuscheln. Schaut mich aufmerksam an, sagt sogar manchmal „Mama“. Nur wenige können ermessen, was für ein Gefühl es ist, wenn eine Jugendliche zum ersten Mal „Mama“ sagt.

Heute schreibe ich diesen Bericht, weil die Erfolge nicht mehr von der Hand zu weisen sind: Als die Podologin gestern ein Desinfektionsmittel auf ihren Fuß gesprüht hat, sagt sie glasklar: „Kalt!“ und als ich sie ins Bett bringe kommentiert sie: „Heia machen!“. Solche Momente erleben wir inzwischen täglich. Es sind nicht mehr einzelne „Sternschnuppenmomente“. Es sind echte, dauerhafte Verknüpfungen.

Finja wird noch viel Therapie, Förderung, Unterstützung und vor allem Zeit brauchen. Aber eines ist sicher: Tiergestützte Therapie scheint für sie sehr viel effektiver zu sein als konventionelle Therapien.

Allein konnten wir das jedoch nicht stemmen. Die Deutsche Down-Syndrom-Stiftung und weitere private Spender haben es möglich gemacht, dass wir Finja diesen Zugang zur Sprache – und zum Aufbau von Beziehungen – möglich machen konnten.

Niemand kann sich vorstellen, wie dankbar wir sind dass es Menschen da draußen gibt, die uns dabei unterstützen Finja alle Chancen zu geben, damit sie ihr Potential entfalten und mit ihren Mitmenschen sprachlich und emotional in Kontakt kommen kann.

Finja nimmt immer mehr Anteil an unserer Welt und am Familienleben. Sie entdeckt eigene Wünsche und Bedürfnisse und beginnt, sie auszudrücken. Dass das noch passieren würde – damit hatten wir nicht mehr gerechnet. Und darum ist es so unglaublich wichtig, dass wir als Eltern nie, niemals die Hoffnung aufgeben und weiter versuchen, unseren Kindern immer wieder neue Chancen zu geben.
Und: Dass es Menschen gibt, die auch in schwierigen Situationen bereit sind, finanzielle Mittel und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um unseren Kindern mit schweren Beeinträchtigungen diese Therapien zu ermöglichen. Und TherapeutInnen, die auch große Herausforderungen annehmen und an das verborgene Potential unserer Kinder glauben. Danke, Danke, Danke an alle da draußen, die uns finanziell, mental und praktisch unterstützen. Ohne Euch wäre es nicht möglich Finja so zu fördern, dass eines Tages so sie ihr Leben so selbstbestimmt wie möglich (mit-)gestalten kann.