Tag 2 – Tropensturm und Panikattacke

Tag 2 – Tropensturm und Panikattacke

20. Oktober 2020 Curacao 2020 0

Zugegeben – beides hatte nix miteinander zu tun, aber hey – ich hab eure Aufmerkskeit, oder?

Lasst mich aber am Anfang beginnen: Morgens wachten wir mitten in einer Werbeprospekt-Welt auf. Blaues Wasser vor der Haustür, Palmen, Pool, wunderschön. Temperatur und Luftfeuchtigkeit wie in einer Bio-Sauna nach einem Aufguss. Genau wie ich es mag.

Und ICH bin dann auch immer sehr unternehmungslustig.

Dank meiner vielen Reisen in der Jugend, habe ich mir frühzeitig angewöhnt nochmal was zu trinken, ehe ich aus dem Haus gehe, selbst wenn ich nur zum Einkaufen gehe eine Trinkflasche dabei zu haben, rechtzeitig was zu essen (nicht nur Eis, sondern auch salziges), mich gründlichst einzucremen und immer mal Klamotten und Haare anzufeuchten um dank Verdunstungskälte immer wohl temperiert zu sein.

Das hat mir meine Professorin damals in Israel eingeimpft als ich da als studentische Hilfskraft ein interkulturelles Projekt begleitet habe. Und vermutlich übt auch eine Dienstreise ins indonesische Hinterland (Learning: Einheimische lieben Klimaanlage, wenn sie eine besitzen und zaubern mit Hingabe arktische Kälte in einen VW-Bus, also steck einen Pulli oder ein Tuch ein, auch wenn es draußen 40 Grad warm ist….).

Meine Familie ist vom Naturell her ganz anders. Sobald die Temperaturen über 28 Grad steigen hängen sie in den Seilen. Zuverlässig. Egal ob im deutschen Sommer, auf Sightseeing in Budapest, Wien oder Florenz… Die Hitze setzt Ihnen unglaublich zu. Da helfen meine Tricks nicht und auch kein guter Wille. Aber das zu verinnerlichen, wenn man selbst sich gut fühlt, ist manchmal schwierig.

Zurück zum Morgen des 2. Tages: Natürlich hatte ich 6 Packungen glutenfreies Brot dabei und Marmelade, Kartoffelsalat und Tomaten für Finja. Auch glutenfreie Nudeln, Griessbrei und so weiter. Was ich vergessen hatte? Reguläres Brot für uns! Also kein Frühstück vorm Einkauf und einen Mietwagen hatten wir auch noch nicht.

Gottseidank bot das Resort ein excellentes Frühstück an, das überraschend günstig war. Da zahle ich im Oktober bei meinem Seminar in Hannover mehr fürs Hotelfrühstück. Finjas Essen nahmen wir mit und so genossen wir Pancakes, Omelette und Quesadillas an der Poolbar. Extrem lecker und so ein großartiger Service… Alles wird aufs Zimmer gebucht, also falls in den nächsten 12 Tagen der Dollarpreis nach oben schnellt, sagt mir Bescheid, damit ich früh genug abrechnen gehe…Ach nee… Kann ich ja nicht. Muss Achim machen. Doch dazu kommen wir später.

Nach dem Frühstück setze Miriam sich an ihre Lernaufgaben. Corona hat ja dafür gesorgt, dass selbständiges Lernen, Arbeiten und Einteilen von Aufgaben sitzen. Vermutlich hat die Pandemie einen Generation von Heranwachsenden geschaffen, die mit größter Selbstverständlichkeit Remote arbeiten, mit Freunden per WhatsApp ihre Ergebnisse besprechen, Erarbeitete Hochladen. Diese Souveränität im Arbeitsverhältnis bewundere ich sehr.

Jonathan und ich machten den Pool sicher und Finja… Nun ja… Finja erobert sich die neue Umgebung vom klimatisierten Sofa aus im Schneckentempo, was ja für ein Schneckenkind angemessen ist 😉 Sie liegt herum wie ein Faultier und wenn man sie lang genug beobachtet, sieht man sie in allen möglichen Posen auf der Couch liegen, sitzen, fläzen. Manchmal frage ich mich was sie sieht, wenn sie ungelogen 30 Minuten den Marmorfussboden betrachtet, derweil sie auf dem Bauch auf dem Sofa liegt und den Kopf runterhängen lässt.

Immerhin haben Jonathan und Finja auch was für die Schule getan: Ein-, zwei Stunden Comics auf Englisch kann man doch getrost als Lernen Werten, oder?

Jonathan quatscht zudem mit jedem, bestellt Eis, Getränke und berichtet fleißig von seinen Hobbys und Erlebnissen. Alles auf Englisch. Die 2 Jahre Helen-Doron haben sich wohl doch bezahlt gemacht. Er hat einfach keinerlei Hemmungen loszuquatschen und liest kurze Texte mit komplett neuen Vokabeln oft richtig, weil er beherzt rät, was sie im Kontext bedeuten könnten. Meist liegt er richtig.

Während Achim sich auf den Weg in die Stadt machte und den Mietwagen holte, suchten Jojo und ich den Strand. Ich rechnete mit irgendeinem steilen Strandabschnitt mit steinigem Einstieg, da der Reiseführer was von Wasserschuhen gesagt hatte. Wir fanden einen Bilderbuchstrand vor.

Erwähnte ich schon, dass wir hier in einem Bilderbuch gelandet sind, das in einer Sauna liegt? Der Strand liegt an einer Bucht und direkt gegenüber liegt der Strand des anderen Hotels (Mambo Beach). Ein bisschen unheimlich war es Jojo schon, dass nach wenigen Schritten der Grund unter den Füßen weg war, obwohl man ihn doch noch sehen konnte.

Trotzdem ließ er sich auf das Abenteuer ein und wir schwammen zweimal hin und her – nicht ohne immer nach links und rechts zu schauen wie beim Überqueren der Straße, denn es könnte ja ein Boot vorbei kommen. Immerhin hupen die sehr laut, ehe sie vom Anleger ausparken…. Oder wie heisst das bei Schiffen? Ich wette Finja wüsste es… Immerhin gibt es ja diverse Peppa-Wutz-Folgen zum Thema Boote…

Am frühen Nachmittag trafen wir uns alle wieder um den Mambo Beach zu erkunden: Meterlanger Strand und durchaus belebt, aber keineswegs überfüllt. Die Geschäfte sind leer, die Hinweise zum Schlangestehen sind noch überflüssig, aber wirklich überall findet man Hygienespender, die wir fleißig nutzen. Einige Läden schreiben „No mask – no problem“ an ihre Türen – andere offerieren 5% Rabatt wenn man eine trägt. Das scheint recht individuell gehandhabt zu werden. Wir tragen unsere in Läden immer.

Wie gesagt: Meine Familie ist nicht so wirklich tropentauglich und so war der Strandspaziergang kräftezehrend. Für Finja hatten wir auf Anraten der lieben Vorgänger-Therapie-Familien den Rollstuhl des Resorts ausgeliehen. Ein historisches Stück, das aber taugt und auf dem man Finja bequem den Betonpfad entlang schieben konnte.

Unterwegs genossen wir Raspados-Eis, das wie ein aufgeweichtes Kratzeis oder hartgefrorenes Slushi ist. Ich bekam eine verdammt gute Limonade und Finja ebenfalls.

An diesem Tag lernten wir, dass Finja nicht nur mit dem Strohhalm trinken kann (Was wir schon wussten) sondern, dass sie sehr wohl auch das Glas halten und es in kürzester Zeit austrinken kann statt stundenlang rumzunuckeln. Finja wiederum lernte, dass man auf Karibischen Hartpappe-Strohhalmen nicht lang rumkauen und sabbern darf, wenn man Durst hat… Abends im Restaurant hat sie dann den Strohhalm sogar komplett heil gelassen und dennoch Dreiviertel des Glases ausgetrunkem.

Wann kommt denn jetzt der Panik-Teil fragt ihr euch vielleicht. Jetzt. Denn nach dem Strandspaziergang waren die Kinder verständlicherweise durch und wollten in der klimatisierten Wohnung bleiben. Also kauften Achim und ich allein ein. Die Routenbeschreibung von MapsMe, einer Offline-Navi-App führte uns überraschenderweise durch etwas heruntergekommene Viertel ins Nirgendwo, weshalb wir dann zurückfuhren und uns an den Papierausdruck der Rezeption hielten.

Der Einkauf verlief gut. Alles da, was wir brauchten, aber während mein Mann noch seinen Kulturschock angesichts des Einpackservices am Kassenband verarbeitete, wollte ich meine Kreditkarte zücken und es passierte das, was ich am meisten fürchte: Sie war WEG!!! PANIK HOCH Drei, denn ich hatte da auch noch ein vierstelliges Guthaben drauf geladen. Also Handy gezückt, mobile Daten angestellt, Roaminggebühren ignoriert und die ENTNERVEND LANGE NICHT hilfreiche Bandansage angehört an deren Ende ich zwar immer „Mit-ar-bei-ter“ sagte, aber nie jemanden zu sprechen bekam.

Stattdessen verabschiedete sich die Automatenstimme freundlich nach 5 Minuten mit dem Ausdruck der Hoffnung mir durch die zahlreichen Hinweise zur Optimierung meiner Online-Banking-App geholfen zu haben…. .Menno.

Also fauchte ich ersatzweise meinen lieben Mann an schneller zu fahren, stürmte (das Eis im Kofferraum ignorierend) aufs Zimmer und fuhr den Rechner und mein Geschäftshandy hoch auf dem die Pin2goApp ist. In kürzester Zeit stellte ich erleichtert fest, dass das Guthaben noch da war, buchte es auf mein Giro um und sperrte die Karte.

Danach rief ich nochmal die doofe Nummer meiner Bank an, gab ein paar andere Antworten als vorher und erreichte um halb zwei nachts in Deutschland eine Mitarbeiterin, der ich meine Verärgerung um die Ohren haute, was die erfahrene Hotlinerin gelassen hinnahm und dann mitteilte, dass ich die Bank leider nicht wie gewünscht in 14 Tagen informieren könne, ob die neue Kreditkarte zu Hause angekommen sei, da ich ja gar nicht zu Hause sein würde… Ob denn jemand den Postkasten zu Hause betreuen würde, erkundigte sie sich. Es ginge bei dieser Regel ja nur darum, dass Karte und Pin zeitversetzt geschickt werden und nicht parallel im Postkasten liegen sollen.

Dank Uwe und Eric, die ja bei uns eingezogen sind konnte ich das Problem also auch ad acta legen… Nachdem mein Puls sich wieder dem Normalzustand genähert hatte, weckten wir Miriam, die die Wärme mit Schlaf kompensiert und zogen Finja die Schuhe an, denn wir hatten ja für 20 Uhr einen Tisch im Fischrestaurant nebenan reserviert.

Der Fisch war MEGALECKER. Es gab Woohoo oder so ähnlich, ein festfleischiger Weißfisch, der definitiv alles toppt, was ich sonst an Fisch mag. Dazu probierte ich frittierte Yucca…. ein Erlebnis auf das man kulinarisch verzichten kann. Schmeckt so nichtssagend wie Porridge ohne Salz und Zucker mit Wasser gekocht – nur mit der Form und Konsistenz von Steakhouse-Fritten.

Super war auch Finjas Salat, was ich weiss, weil ich diesen extra für sie zubereiteten sicher glutenfreien Salat dann bekam, weil Finja es vorzog den Abend im Schneidersitz Schaukeln bzw. liegend auf dem Fußboden zu verbringen.

Der Rest der Familie war noch lebendig genug um im besten Fischrestaurant am Platz sehr leckere Bürger und French Fries zu ordern. Die Kids verabschiedeten sich schon bald (Mein Gott ist das angenehm eine 16jährige Tochter zu haben) und Achim und ich genossen noch einen Espresso mit Blick auf die Bucht und die immer noch auf den Fliesen sitzende Finja, die von freundlichen Kellnerinnen immer ein liebes Wort und einen warmherzig Blick bekam, wenn sie mit vollen Tabletts um sie herum navigierten (Oh… NO PROBLEM! She ist just sitting there….). Finjas autistische Verhalten wird hier mit demselben Respekt behandelt als würde der Dalai Lama hier 2 Stunden am Strand Meditieren…. Irgendwie cool, wenn weder Erklärungen noch Entschuldigungen nötig sind.

Achim verließ das Lokal mit Finja und ich tauschte noch ein paar Worte mit Kristina Familie aus, die ihren letzten Abend vorm Abflug auch hier ihr Abschiedsessen genossen hatte und sicher in 2 Jahren zum 10. Mal hier sein wird. Ich bin dankbar, dass wir von diesen Familien so viele Tipps bekommen haben und gehe jetzt recht gelassen in die kommende Woche.

Als wir gerade aufbrechen wollten, brach plötzlich der Himmel über uns herein. Man möchte sagen, der Himmel öffnete seine Schleusen, aber das ist nicht treffend. Es schüttete wie aus Kübeln (oder Badewannen) und der Wind peitschte die warmen Tropfen unter das Dach.

In einer Regenpause als es nur noch sachte nieselte gingen wir die paar Schritte zum Hotel. Der Tropensturm frischte wieder auf und ich genoss den Anblick des Meeres und der Palmen im Regen und stellte fest, dass das „Tropenprogramm“ der Eventdusche in meiner Sauna das Erlebnis eines warmen Regengusses nur unzureichend nachempfindet….

Morgen geht es nun endlich mit den Delphinen los. Drückt uns die Daumen, dass alles klappt und Finja es genießt.