Tag 13: Pizza-Massage und Willemstad

Tag 13: Pizza-Massage und Willemstad

27. Oktober 2020 Curacao 2020 0

Wow – wie die Zeit vergeht. Heute durften die Geschwister hinter die Kulissen der Delphintrainer schauen, ihnen Fragen stellen und in der Fischküche helfen. Definitiv lustig, sagt Jonathan.

Finja hatte diese Nacht von 1-3 Party gemacht. Entsprechend waren wir alle etwas müde. In der Therapiezeit zeigte Kati mir eine andere Art der Massage. Die klassische Pizza-Massage dient dafür als Vorlage: Teig Rollen, Tomaten auf den Rücken legen, Zucchini, Pilze drauflegen und Käse drüber streuen. Das Wesentliche aber war dies mit Achtsamkeit, Präsenz und Energie zu tun.

Immer deutlicher wird, wie viel Impulse Finja für die Körperwahrnehmung benötigt. Jede Therapieeinheit wird mit Massage, Einwickeln in die schwere Decke oder eine Gymnastikmatte oder andere Tiefendruck-Übungen begonnen, damit Finja sich überhaupt spüren, fokussieren und konzentrieren kann. Erst dann ist inhaltliche Arbeit überhaupt sinnvoll.

Nach der Massage ging es wieder in Richtung Wasser. An diesem Tag war Finja etwas verhaltener. Bei einer normalen Therapie hätte sie wohl nicht so gut mitgemacht, aber Wasser und Kanoa konnten die doch motivieren.

Wie immer gab es danach ein Gespräch, bei dem Kati uns ermutigte noch genauer nachzuspüren wie wir selbst unsere Akkus aufladen können, was wir brauchen und was wir mitnehmen oder hierlassen wollen.

Ich merke immer mehr, dass Yoga oder körperbetonte Übungen wie Tai Chi mir gut tun, will aber auch wieder mit Meditation beginnen. Achim möchte mehr lesen und wandern. Aber woher die Zeit nehmen? Das ist noch unklar.

Am Nachmittag streikten die Kinder. Sie wollten einfach mal Serien gucken, chillen, im Zimmer bleiben. Aber ich wollte mir gern Willemstad ansehen. „Fahrt man allein!“ fanden die Kids und auch Finja hatte keine Einwände gegen 3 Stunden Feuerwehrmann Sam…

Also setzten Achim und ich uns in den Wagen und fuhren die 10 Minuten nach Willemstad rein. Parken in Punda (Der Punkt von dem anno dazumal die Besiedlung der Insel durch die Kolonisten ausging) war kein Problem – war ja alles frei.

Wir machten eine kurze Runde durch den neuen Markt, ein kreisrundes Gebilde in dem man Souvenirs aller Art, Haarschmuck, Kräuter, Drogerieartikel, Snacks, Obst und Gemüse, Perücken, Heiligenbildchen, Räucherwerk, und vieles mehr erstehen kann. Doch gegen 17 Uhr schließt der Markt und so waren nur noch wenige Stände auf.

Zudem waren Achim und ich offenbar die einzigen Touristen in einem Gebiet in dem sich sonst täglich hunderte Drängen. Die Verkäufer waren alle sehr lieb, aber auch nachdrücklich. Ich erstand einen Hut und eine Tasche um mein Touristen-Outfit zu vervollkommnen. Wenn man schon der einzige Tourist weit und breit ist, muss man doch zumindest Haltung wahren…. Zwischendrin musste Achim kurz weg um Cash zu holen.

Der Markt ist wirklich rund und in einem Kreis angeordnet, so dass man theoretisch ewig voreinander herlaufen und sich nie treffen würde, wenn beide das gleiche Tempo halten. Da wir aber die einzigen hellhäutigen Menschen weit und breit waren, winkten uns die Verkäufer eifrig um anzuzeigen in welcher Richtung oder an welchem Stand der andere Partner gerade war, wenn einer von uns einen suchenden Blick hatte. Ein bisschen seltsam war es schon. Wie auf einem Flohmarkt 30 Minuten vor Schluss, wenn man noch nicht abbauen darf, aber schon alles eingeräumt ist und man bei den letzten Verirrten noch ein halbherziges Geschäft macht, während man eigentlich mit dem Standnachbarn schon eine Feierabendplauderei begonnen hat oder die Kisten zusammenpackt.

Wir beschlossen morgen nochmal früher zu kommen und marschierten in Richtung Floating Market, den es eigentlich gar nicht mehr gibt, weil seit der Wirtschaftskrise in Venezuela die kleinen Händlerboote, die früher die Touristenattraktion waren, gar nicht mehr rüberkommen um ihre Ware zu verkaufen. Und jetzt sind auch keine Touristen mehr da.

Die paar Reststände sind heute von einsamen Keks- und Obstverkäufern belegt, die aber ganz normal über Land anreisen. Also keinen Hausboote, Händlerschiffe oder Fischerboote in dem kleinen Becken, sondern nur ein paar Stände am Rand des Hafenbeckens. Das war also schnell abgehakt.

Auf zur Emmabridge, der „Swinging Old Lady“. Die befindet sich direkt an der Einfahrt in den Hafen und ist nicht fest, sondern beweglich. Das Ganze muss man sich wie einen langen Holzsteg vorstellen, der auf 20-30 Flößen aufliegt. An den Enden kann man sie einklinken – oder eben ausklinken und komplett zur Seite fahren. Dann können sogar Kreuzfahrriesen oder historische Dreimaster durchfahren.

Da die Juliana-Bridge dahinter 56 m hoch ist, können sie auch dort passieren. In früheren Zeiten gab es auf beiden Seiten der Einfahrt Forts. Es heißt, dass der Zugang zum Hafen damals durch eine Eisenkette versperrt werden konnte, wenn Piraten oder andere Feinde hochfahren wollten.

Diese Zeiten sind vorbei. Heute verbindet die Emmabridge Punda und „Otrabanda“ – die „andere Seite“. Hüben wie drüben galt aber: Wir waren die einzigen Touristen. Die Leute von den Kreuzfahrtschiffen dürfen nicht runter und generell ist der Tourismus na ja… Ich sag mal so… Wie Nordsee im Januar…

Ein anderes Paar gesellte sich zu uns an die Bar auf dem leeren Hauptplatz vor der Brücke. Die Promenade hatten wir für uns. Ein einsamer Verkäufer rief uns lustlos nach: „Wanna have water? 1 Dollar?“. Nee… Wasser hab ich immer dabei.

Wir gingen in Richtung Fort Rif. Von dem ehemaligen Fort stehen nur noch Wände und Wehrgänge – die sind aber immerhin Weltkulturerbe oder so.

Innendrin finden sich auf 4 Ebenen Restaurants, Eisdielen ein Steakhouse, ein holländischer Souvenirshop mit blaubemaltem Porzellan für alle Amerikaner, die die niederländische Kultur diesseits des Atlantik mit nach Hause nehmen möchten und vieles mehr. Aber alles leer. Es stehen Stühle bereit, es sind Kellner da, die uns eilfertig entgegeneilen wenn wir den Blick zu lang auf dem Eingang verweilen lassen… Strange. Einfach nur Strange.

Nach einer Weile verlassen wir das Fort. An der Promenade halten 3 fröhliche Künstlerinnen ihre Stellung. Eine buntgefleckte Decke, Farben, Pinsel, jede Menge Treibholz und an einer Pinnwand und auf dem Boden liegend viele bunte Bilder. „Von Bini“ – herzlich Willkommen und „Dushi“ und „Relax“ lauten die Aufschriften über Bilder von Sonnenuntergängen, Flamingos, Pinguinen. Was – Pinguinen? Nein – Natürlich nicht. Ich wollte nur wissen ob jemand meinen ganzen Bericht bis hierhin liest.

Wir erzählten, dass wir hier zur Delphintherapie seien. „Oh – I can make you a dolphin! And I can write your name!“ Die herzliche Anteilnahme und dass die Damen wirklich vor Ort personalisierte Bilder malen gab den Ausschlag: Wir nahmen 3 Bilder mit und bestellten eines mit Delphin und „Finja“ für ihre Zimmertür. Einen Instagram-Account haben die Damen auch: MZArts. Schaut da ruhig mal rein.

Zeit langsam zurück zu gehen. Von Otrabanda nach Punda aus läuft man direkt auf die Häuserzeile zu, die auf allen Souvenirs und auch auf den Nummernschilder der Autos hier abgebildet ist: Quietschbunte Häuser im Kolonialstil der Holländer, das Älteste ein imposantes hellgelbes aus dem Jahr 1707.

Alle 6 Monate (ja – Monate!) muss neu gestrichen werden, da Sonne und Meeresluft den Gebäuden aus Korallengestein und Meersand so zusetzt. Die anderen Gebäude fügen sich in bunter Farbenpracht an. Mein Reiseführer hat nicht ganz Unrecht: Wie Amsterdam, das in einen Farbtopf gefallen ist.

Zurück über die schaukelnde Brücke finden wir ein leergefegtes Punda vor. Wieder: Bunte Häuser, enge Gassen, ein paar internationale Kettennamen in Häusern die von der Größe der Delmenhorst er Innenstadt entsprechen… Nur bunter halt. An den Wänden: Bunte Bilder. „Die bemalen hier wirklich alles, oder?“ wird Jonathan morgen fragen. Ja. Tun sie.

Auf unserem Weg zum Auto – Gasse links, Gasse rechts – gehen wir an leeren Stühlen und freundlich winkenden Gastronomen vorbei: Cocktail? Mojito? Nein. Wir wollen nach Hause. In unser „Home apart from Home“ wie die Broschüre unseres Ressorts nicht müde wird zu betonen. Und recht hat sie….

Zu Hause knuddeln wir die Kinder, essen auf der Terrasse und beschließen morgen alle nochmal zu einer anderen Uhrzeit zu fahren. Ob die fröhlich-bunte Geisterstadt dann beliebter sein wird?